Leviafan

Der diesjährige russische Oscar-Beitrag Leviafan* hat in seinem Herkunftsland Kontroversen ausgelöst, schließlich hält sich der Film von Regisseur Andrey Zvyagintsev trotz staatlicher Fördergelder mit Kritik nicht zurück. All das ist freilich interessant, doch wird genug geboten um auch außerhalb des Kontextes eine Empfehlung wert zu sein?

Familienvater Nikolay (Aleksei Serebryakov) muss gegen den korrupten Bürgermeister Vadim (Roman Madyanov) um sein Zuhause kämpfen, wobei er von seinem Bruder, dem Anwalt Dmitriy (Vladimir Vdovichenkov), unterstütz wird. Spätestens als dieser eine Affäre mit Nikolays Frau Lilya (Elena Lyadova) beginnt, droht das Familienglück aber auch von innen heraus zu zerbrechen.

Lachen und Weinen

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Die vielleicht größte Stärke von Zyvagintsevs neuem Film ist dessen Ton, der scheinbar problemlos eine Balance zwischen schwarzem Humor, tiefer Tragik und Wut über den politischen Status Quo findet. In einer Szene etwa steht spätnachts plötzlich der betrunkene Bürgermeister vor Nikolays Haustür, um sich mit diesem ein Duell an recht leeren Drohungen zu liefern. Nicht zuletzt die hervorragenden Schauspieler verleihen der Situation eine tiefschwarze Komik, zugleich aber ist trotz der überzeugenden Rationalität des zur Hilfe eilenden Dmitriy sofort klar, wer am längeren Ast sitzt.

Derartige Momente findet man zuhauf in Leviafan, unterstützt vor allem durch die ständige Präsenz einer oder mehrerer Flaschen Wodkas. Dabei ist der Humor weder verharmlosend, noch belehrend im Sinne von “Jetzt lachst du noch, später wirst du verstehen”. Stattdessen wird der Realismus des Geschehenen durch das bewusste ad absurdum Führen der Bewältigungsversuche noch stärker spürbar. Die Verzweiflung der Charaktere zusammenfassend könnte man fast sagen, dass der Film dem Kultspruch “Kein Alkohol ist auch keine Lösung” unerwartete Tiefe verleiht.

Mehr als nur politische Provokation

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Natürlich spielt die vieldiskutierte politische Facette eine wesentliche Rolle, immerhin werden Themen Korruption und Zwangsenteignung glaubwürdig aufgebracht. Die große Wirkung des Filmes ist aber auch auf die Charaktere bzw. die familieninterne Problematik zurückzuführen. Bereits vor der Etablierung der Thematik ist die Fragilität von Nikolays und Lilyas Ehe unausweichlich. Ebenso wie die schwierige Identitätsfindung des jugendlichen Sohne ist auch die Krise des Paares sehr eng verwoben mit den Lebensumständen, in die man durch politische Verfehlungen gezwungen wurde. Man muss es Zyvagintsev aber wirklich hoch anrechnen, dass er sich mit der brisanten Thematik allein nicht zufrieden gestellt hat. Würde der Film in einem fiktiven Land spielen und somit die politische Dimension ein Stück weit auslöschen, er wäre immer noch großartig.

Auch symbolisch ist der Film die ganze Laufzeit über extrem akkurat, etwa wenn gegen Ende plötzlich ein riesiges Walskelett inszeniert wird. Schade ist nur, dass es der Film in den letzten Minuten verpasst, einen gelungenen Schlusspunkt zu setzen. Hier wird man mit ein wenig selbstgefälligen Szenen überladen, die in ihrer Aussage sehr redundant sind.

Fazit (Michael):

Film: Leviafan
Rating:

User3.Leitner.Rating2.Lukewarm.Frei.Small
Empfehlenswert (3 / 5)

Leviafan schafft es, seine ehrlich Systemkritik in ein hervorragendes Drama mit viel schwarzem Humor zu verpacken. Die politische Brisanz ist hochinteressant, aber bei weitem nicht das einzige Argument, diesen Film zu sehen. Dringende Empfehlung!

*Der englische Titel lautet Leviathan, was wohl zu Verwechslungen mit der gleichnamigen Fischerei-Dokumentation aus dem Jahr 2012 führen dürfte. So erklärt sich vermutlich auch der abgeänderte deutsche Titel.

Weitere Meinungen aus der Redaktion

Fazit (Wolfgang):

Film: Leviafan
Rating:

User1.Wolfgang.Rating3.Recommendable.Frei_1
Empfehlenswert (3 / 5)

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Michael Verfasst von:

Autor, Editor, Public Relations Michael ist der Arthouse Hipster des Teams, dessen Korrektheit und ruhige Art dafür sorgen, dass die Diskussionen immer fair bleiben und Beleidigungen nur zulässt, wenn sie mit Fakten belegt werden können.

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