5 Dinge, die Viennale-Besucher nicht mehr hören können

Oder auch: Das Zwischenfazit eines einsamen Festivalbesuchers.

Alleine ins Kino zu gehen, das ist für viele ja fast schon ein Tabubruch. Sich solo in den Saal zu setzen und die Zeit vor dem Projektionsbeginn nicht den Freunden, sondern einem guten Buch zu widmen, wirkt ja beinahe befremdlich. Für akkreditierte Viennale-Besucher gibt es da aber kein Drumherum, schließlich finden sich bei so manch einem Kunstschinken kaum Freiwillige. “Hast du Samstag Nachmittag Zeit?” – “Ja klar. Gibt’s nen Plan?” – “Im Gartenbaukino läuft ein rumänischer Film, der drei Stunden lang eine Trauerfeier beobachtet. Der Dialog soll großartig sein, angeblich baut der Regisseur mit einfachen Mitteln ein vielschichtiges…” – “Ah, verdammt, da fällt mir ein. Samstag is ganz schlecht.”

Kurz und knapp: Ein Filmfestival kann mitunter ganz schön einsam sein, es bleibt genug Zeit, mal bei den anonymen Saal-Kollegen zu lauschen. Der ein oder andere philosophische Erguss ist da schon dabei. Mein persönliches bisheriges Highlight dieses Jahr lieferte eine Besucherin schon am ersten Tag, als sie ihrer Begleitung eine fehlerfreie Analyse der Dragee Keksi lieferte: “Es ist einfach Keks mit Schokolade.” Da öffnen sich neue Denkperspektiven für die Ewigkeit, gut möglich, dass ich mich demnächst zu einem Philosophiestudium inspiriert sehe. Beinahe ebenbürtig war eine belauschte Filmanalyse während meines letzten Gartenbau-Besuchs: “Naja, er war okay, ein Film halt. Man geht hin und schaut ihn sich an.” Die Faszination Kino noch poetischer zum Ausdruck bringen, es wäre fast unmöglich.

Derart einzigartige Ergüsse stellen aber nur die Ausnahme dar. Der Viennale-Gesprächsalltag sieht weitaus monotoner aus. Das Publikum sieht eigentlich, je nach Filmwahl, durchaus schon mal recht divers aus. Pensionisten sind ebenso oft gesehen wie Studenten, gelegentlich verirrt sich auch ein Jugendlicher und gerade am Wochenende bzw. bei Abendvorstellungen ist jenes arbeitende Volk da, das sich zwischen diesen Altersgruppen bewegt. Doch – und da soll noch einer sagen, wir hätten ein gespaltenes Volk – im Grunde scheint alle das selbe zu beschäftigen. Diese 5 Statements und Fragen können Viennale-Dauergäste nicht mehr hören:

Gibt’s noch Karten?

Na klar doch. Hey, der Jim Jarmusch-Film fängt ja erst in fünf Minuten an und dass das Kino gleich aus allen Nähten platzt, bildest du dir nur ein. Wie viel dürfens denn sein?

Was war denn da grad vorher für ein Film?

Während ich im Foyer warte und noch zittere, ob ich denn gleich den Luxus eines nachvollziehbaren Plots erleben werde, kommen mir Leute mit glücklichen Gesichtern aus der davorigen Vorstellung entgegen. Verdammt, Neid!

Tschuldigung, darf ich kurz vorbei?

Kein guter Gartenbaukino-Abend vergeht ohne den Genuss, im Foyer von Kinobesuchern herumgeschubst zu werden, die zufällig einen Freund haben, der schon bei der Türe wartet.

In Hollywood wär das nicht möglich.

Ja eh, mehr oder weniger. Aber das ständige Betonen im Kreis der Gläubiger ist ungefähr so progressiv, wie auf einer VdB-Party über Hofer zu schimpfen.

Wie funktioniert denn das mit der Warteliste?

Im Ernst jetzt: Die geduldigen Leutchen, die das jeden Tag aufs Neue erklären, wären vortreffliche Kandidaten für den Friedensnobelpreis.

Absichernde Anmerkung des Autors

Nur um angesichts unseres oft sarkastischen Tons bei der Viennale-Berichterstattung keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die Viennale ist absolut großartig. Punkt.

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Michael Verfasst von:

Autor, Editor, Public Relations Michael ist der Arthouse Hipster des Teams, dessen Korrektheit und ruhige Art dafür sorgen, dass die Diskussionen immer fair bleiben und Beleidigungen nur zulässt, wenn sie mit Fakten belegt werden können.

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