Spider-Man: Homecoming

Funktionierts beim dritten Anlauf?

Wieder einmal Spider-Man. 2002 schwang sich Tobey Maguire erstmals als stilsicherer Spinnenheld über die Dächer von New York. Seither hat sich die Filmbranche radikal verändert, doch für die Geschichte rund um Peter Parker ist scheinbar immer noch Platz. Dass Andrew Garfield sich erst vor fünf Jahren als Amazing Version des Helden versucht hat, ist schwer auszublenden. Obwohl Marvel seine neueste Interpretation im Titel selbstverherrlichend als Homecoming feiert, ist ein gewisses Gefühl von Deja-Vu schwer zu vermeiden.

Peter Parker (Tom Holland) ist wenig überraschend wieder einmal ein Teenager mit schulischem Außenseiter-Status, der bei seiner Tante May (Marisa Tomei) lebt. Der obligatorische Crush hört auf den Namen Liz (Laura Harrier) und der Bösewicht (Michael Keaton) trägt dieses Mal einen Vogelanzug. Als lustiger Side-Kick darf der extrem korrekt gecastete Ned (Jacob Batalon) herhalten, während Tony Stark aka Iron-Man (Robert Downey Jr.) wohl aus Marketingzwecken ein bisschen in der Story herumpfuscht. Die aufsehenerregendste Änderung: Einen Teil seiner Kräfte bekommt Peter nun von einem Anzug spendiert, den er sich im Rahmen eines Praktikums bei Stark Industries verdient hat. Wer sich einen ausgiebigen Kommentar zu diesem Story-Detail erwartet hat, den muss ich leider enttäuschen. Nichts an diesem Film und generell sehr wenig auf diesem Planeten ist mir gleicher als die Funktionalitäten des Spinnen-Anzugs.

Marvel + Film = Nervensäge

Spider-Man: Homecoming Film | Review | Flip The Truck
Jetzt auch bei Spider-Man: Iron Man (Robert Downey Jr.) – © Sony Pictures

Die unweigerliche Assoziation mit früheren Spider Man-Filmen mag den Produzenten des aktuellen Anlaufs ein Dorn im Auge sein, vor einem bestimmten Wiedererkennungswert haben sie aber scheinbar keine Angst. Denn man muss beileibe kein Experte auf dem Gebiet sein, um zu erkennen, dass Homecoming durch und durch ein Marvel-Film ist. Dies trifft insbesondere auf den einmal mehr unsäglich nervigen, unreifen Humor zu. Wie eine lästige Computerspiel-Figur muss unser Held nahezu jeden seiner Moves mit einem selbstironischen One-Liner kommentieren, witzig ist kaum einer davon. Witty reimt sich nicht umsonst auf shitty. Ein ehrliches, bitteres Eingeständnis: Lachen musste ich erst, als Peter von seinem Schulkollegen als Penis Parker gemobbt wird.

Außerdem wirken Marvel-Filme immer noch so, als würden drei Schichten Luftpolsterfolie darum herum gewickelt sein, die jeden Vorstoß in unangenehmes oder gar riskantes Territorium verhindern sollen. Symptomatisch dafür bahnt sich in der Mitte des Filmes ein authentisch bitterer Moment an, der für einen heldenhaften Iron Man-Auftritt und einen blöden Witz geopfert wird. Unfassbar nervig sind außerdem die zahllosen Insider-Witze, die den durchschnittlichen Kinofan nicht die Bohne interessieren. Referenzen auf Thors Hammer mögen noch vermittelbar sein, doch viele Anspielungen versteht höchstens jeder Zehnte und nehmen jeglichen Drive aus der Szenerie.

Too Long, didn’t read: Die Marvel-Formel empfinde ich als nahezu unerträglich.

Authentizität in den Wortschatz integriert

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Peter Parker (Tom Holland) und Tante May (Marisa Tomei) – © Sony Pictures

Homecoming erarbeitet sich dennoch einige Bonuspunkte, selbst wenn sich diese lange im Detail verstecken. So wird Peter zwar als Außenseiter dargestellt, doch die vermeintlich coolen Kids sind keine Football-Stars oder Cheerleader, sondern die Teamkollegen aus dem Sonderbegabten-Klub. Ebenso lobenswert ist die gelungene Beziehung Peters zu Tante May. Dass die Erziehungsberechtigte hier als attraktiv dargestellt wird, steht einer unaufgeregten, liebevollen Zwischenmenschlichkeit nicht im Wege. Die beiden Hinweise auf unter anderem das oft zitierte subjektive Sicherheitsgefühl oder den ignoranten Umgang der USA mit seiner Geschichte wirken zwar etwas unmotiviert platziert, funktionieren aber überraschend gut.

Seine beste Phase findet der Film schließlich nach etwa 90 Minuten in der Entschleunigung, als sich Regisseur Jon Watts über eine charakterbildende Ruhephase drüber traut. Wie sich Peter Parker nach einem ersten Helden-Scheitern wieder zu einem normalen Teenie-Leben überreden muss, fühlt sich – und das ist in einem Marvel-Film eine lobenswerte Besonderheit – echt an. Von hier geht der Film dank einer wirklich überraschenden, für den Bogen sinnvollen Wendung nahtlos in den letzten Akt über.

Auch dieser ist durchaus sehenswert, was in erster Linie an der naturgemäß erhöhten Präsenz des Bösewichts liegt. Abgesehen von einer unnötigen “Höhö, töten ist lustig”-Szene, ist Michael Keatons Figur ein glaubhaft ambivalenter Charakter. Während er seine Taten nach außen hin mit dem Stichwort family rechtfertigt, lassen die Taten starke Zweifel an dieser Motivation aufkommen. Am Ende, und das ist das Gelungene an seinem Bogen, wird ihm selbst in der obligatorischen Niederlage auf tragische Weise Recht gegeben.

Fazit (Michael):

Film: Spider-Man: Homecoming
Rating:

Empfehlenswert (3 von 5)

Spider-Man: Homecoming hat einige interessante Aspekte, die fast gänzlich unter der schweren Last der Marvel-Formel begraben werden. Aber nur fast – und für mein Empfinden ist das schon ein Erfolg.

Michael Verfasst von:

Autor, Editor, Public Relations Michael ist der Arthouse Hipster des Teams, dessen Korrektheit und ruhige Art dafür sorgen, dass die Diskussionen immer fair bleiben und Beleidigungen nur zulässt, wenn sie mit Fakten belegt werden können.

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