Eine fantastische Frau (sp.: Una Mujer Fantástica)

Ein fantastischer Film.

Eine Frau verlässt mit ihrem Lebensgefährten eine Feier; das Paar steht vor der Wohnung, als der Mann die Schlüssel sucht. Da sie etwas betrunken ist, lehnt sich die Frau kichernd an die Schulter des Mannes. Wenige Szenen später sitzen die beiden im Auto, der Mann hat offensichtlich einen Herzinfarkt. Auf dem Weg ins Krankenhaus, noch im Wagen, bricht er zusammen und lehnt sich an die Schulter der Frau. Was gerade eben eine Stütze war, wird plötzlich zur Last.

Hauptfigur dieser frühen Szenenabfolge, so wie des Filmes, ist die Transgenderfrau Marina (Daniela Vega). Nach dem Tod ihres Lebensgefährten sieht sie sich mit den Vorurteilen seiner Familienangehöriger, der Polizei, sowie der Gesellschaft im Allgemeinen konfrontiert. Eine fantastische Frau erzählt von einer eben solchen, die sich allen Widerständen zum Trotz das Recht auf Trauer erkämpfen möchte.

 Meisterhafte Bilder im Spiegelkabinett

Regisseur Sebastían Lelio wählt ein Thema, das in den letzten Jahren bereits vermehrt filmisch aufgegriffen wurde. Dabei verzichtet er, anders als viele, fast vollständig auf den Aspekt der Identitätssuche. Seine Marina hat diesen Schritt scheinbar bereits hinter sich gebracht, ist als Frau im Leben angekommen. Erst als dieses Selbstbild in der Gesellschaft auf anhaltenden Widerstand trifft, gerät ihre kleine Welt ins Schwanken.

Wie der chilenische Filmemacher die äußerliche Ablehnung mit den inneren Unsicherheiten kollidieren lässt, ist meisterhaft. Ohne aufregende Kamerafahrten findet Lelio stets Bilder, die die Situation des Charakters mit wunderschöner Symbolik einfangen. Immer wieder würde man den Film am liebsten anhalten, um die aktuelle Aufnahme in einer Interpretation auseinander zu pflücken. Alleine eine Analyse der zahlreichen Spiegel würde weitere Sichtungen von Eine fantastische Frau rechtfertigen. Der vermutliche Höhepunkt der inszenatorischen Feinmechanik ist ein Shot gegen Ende, der die Frage nach der Identität noch ein letztes Mal aufnimmt und ein für alle mal beantwortet.

Ein fantastischer Mensch

(c) Thimfilm

Minimale Schwächen kann man dem Film höchstens in Sachen Erzählung unterstellen. Zunächst muss sich Marina vor der Ex-Frau ihres verstorbenen Lebensgefährten rechtfertigen, später vor der Polizei. Einzelne Story-Aspekte werden hierbei aufgegriffen und auch konsequent zu Ende erzählt, wirklich filmfüllend wirkt aber keiner von ihnen. Ehe den Zuseher dies wirklich vor den Kopf stößt, ist er aber schon wieder ins melancholische Schwärmen über diese hervorragende Charakterstudie geraten.

Noch bevor wir hier eine Transgenderfrau sehen, sehen wir einen Menschen. Und zwar einen, der trauert und mit allem, das er hat, um sein verdammtes Recht dafür kämpft. Das ist ansteckend, inspirierend, traurig und wunderschön zugleich. Bloß spannend ist es nicht. Dass Marina den Kampf gegen die gesellschaftliche Sabotage gewinnt, steht immer außer Frage. Zu offensichtlich ist der Titel gewählt, zu deutlich ist dieser Charakter eine absolut fucking fantastische Frau. Aber wer braucht schon einen Spannungsbogen, wenn er so eine Protagonistin haben darf?

Fazit (Michael):

Film: Eine fantastische Frau
Rating:

Sehr Gut (4 von 5)

Diese Charakterstudie über einen Menschen, der, voll in sich angekommen, gegen die Ungerechtigkeiten der Welt ankämpft, ist mit das beste was es dieses Jahr im Kino zu sehen gab. Man muss kein Fan von Wortspielen sein, um konstatieren zu können: Eine fantastische Frau ist ein fantastischer Film.

Michael Verfasst von:

Autor, Editor, Public Relations Michael ist der Arthouse Hipster des Teams, dessen Korrektheit und ruhige Art dafür sorgen, dass die Diskussionen immer fair bleiben und Beleidigungen nur zulässt, wenn sie mit Fakten belegt werden können.

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