The Big Sick

Am Ende denk ich immer nur an mich.

In den USA ist The Big Sick zu einem großen Überraschungshit avanciert, nicht zuletzt Kritiker sind grenzenlos begeistert. Kumail Nanjiani, Hauptdarsteller und Drehbuchautor, erzählt uns, wie er seine Frau kennen gelernt hat. Heimische Kinogeher werden wohl feststellen müssen, dass ein Rucksack voller Vorschusslorbeeren manchmal ganz schön schwer sein kann.

Kumail (Kumail Nanjiani) schmäh-führt sich als mittelmäßig begabter Komiker durch Chicago, als er eines Abends Emily (Zoe Kazan) kennenlernt. Aus dem One-Night-Stand wird langsam etwas mehr und schon bald sind die beiden ein Paar. Das wäre alles super, würde Kumails Mutter nicht auf eine pakistanische Schwiegertochter bestehen und ihren Sohn stets mit Frauen verkuppeln. Als Emily aufgrund eines hartnäckigen Infekts ins Koma versetzt werden muss, wird alles noch viel komplizierter. Gemeinsam mit ihren Eltern (Holly Hunter, Ray Romano) wartet er verzweifelt auf eine Besserung von Emilys Gesundheit.

Selbstkritik trifft Systemkritik

© Thimfilm – Zoe Kazan als Emily, die der Film während ihres Tiefschlafs schmerzlich vermisst.

Mit dem großen Hype im Hinterkopf The Big Sick zu schauen, ist tatsächlich nicht ganz so einfach. Schon schnell ist zu erkennen, dass das Komödiengenre hier wohl kaum revolutioniert wird. Allzu übel nimmt man ihm das aber nicht, schließlich hat der Film von Anfang an viel Charme und Humor. Selbst wenn ein echter Lacher über längere Zeit ausbleibt, hat der Zuseher fast immer zumindest ein Lächeln im Gesicht. Zudem ist The Big Sick keinesfalls unambitioniert und versucht durchaus wichtige Themen kritisch anzusprechen.

So eröffnet der Film nicht zufällig mit einem kurzen Sketch über Nanjinais Herkunft. Wie die muslimisch-pakistanische Kultur, insbesondere die traditionelle Zwangsehe, in Kumails Alltagsleben einfließt, ist ein Leitthema dieses Films. Sein Leben auf und rund um die Bühne wird dabei in einen starken Kontrast zum Auftreten vor der Familie gezeigt. Während er sich ohne moralische Selbstzweifel zu einer flotten Nacht mit Emily hinreißen lässt, spielt er beim Familienessen den braven Moslem. Dass er während seines privaten Gebets im Keller eigentlich nur am Handy herum spielt, muss ja keiner wissen.

Doch Nanjiani will nicht nur mit seiner Heimatkultur abrechnen, noch viel mehr geht er hier mit sich selbst ins Gericht. Die Bilder jener pakistanischen Frauen, die er immer wieder ablehnt, sammelt er artig in einer Kiste, die er vor Emily geheim hält. Vor Mama, Papa & Co. ist seine weiße Freundin sowieso ein Geheimnis, schließlich würde er sonst hochkant aus der Familie fliegen.

Ein bisserl selbstzentriert

(c) Thimfilm – Auch nicht uninteressanter als die Hauptfigur: Holly Hunter und Ray Romano als Emilys Eltern.

Eben hier fängt allerdings auch schon die Problematik des Films an. Dass er die Zwangsehe-Geschichte vor Emily geheim hält, wird als sein zentraler Fehler inszeniert, an dem er die ganze Zeit zu knabbern hat. Für Außenstehende ist aber eben dieses Verhalten vielleicht nicht moralisch einwandfrei, im Prinzip aber durchaus nachvollziehbar. Anstatt Kumails Charakterwandlung gespannt zuzusehen, erwischt man sich schon mal beim Gedanken “Wach endlich auf und redet’s darüber”.

The Big Sick ist eine Autobiographie, ergo eine sehr persönliche Geschichte. Dementsprechend nachvollziehbar, ja sogar logisch, ist der starke Fokus auf die Hauptfigur. Dem Endprodukt selbst schadet dieser allerdings ein wenig. Am besten funktioniert der Film eigentlich immer dann, wenn er auch an anderen Figuren Interesse zeigt. Vor allem Emily bringt zu Beginn viel Dynamik – blöd halt, dass sie die meiste Zeit des Filmes verschläft.* Später sind es ihre Eltern, die zumindest ein paar spannende Gesichtspunkte hineinbringen.

Warum all das gerade in den USA so gut ankommt, ist zumindest für den Zyniker nur unschwer zu erkennen. Denn während die muslimische Kultur – und im Zusammenhang mit der Zwangsehe natürlich zurecht – angeprangert wird, kommt Restamerika erstaunlich gut weg. Sinnbildlich ist jener Moment, in dem Kumail seine Eltern fragt, warum sie denn überhaupt nach Amerika gegangen sind, wenn sie die Lebensart (lese: den American Dream) nicht annehmen wollen. Integration ist hier ne einseitige Gschicht. Unterm Strich ist es dennoch eine sympathische Komödie geworden, die ohne Hype sicherlich etwas besser funktionieren würde.

Fazit (Michael):

Film: The Big Sick
Rating:

Empfehlenswert (3 von 5)

The Big Sick ist eine clevere autobiographische Komödie mit viel Witz und Charme, der aber ausgerechnet der Fokus auf die Hauptfigur ein bisschen im Weg steht.

 

*Angesichts des realen Hintergrunds mag das etwas zu zynisch klingen, aber Nanjiani selbst neigt zu durchaus schwarzem Humor und würde mir das sicher verzeihen.

Michael Verfasst von:

Autor, Editor, Public Relations Michael ist der Arthouse Hipster des Teams, dessen Korrektheit und ruhige Art dafür sorgen, dass die Diskussionen immer fair bleiben und Beleidigungen nur zulässt, wenn sie mit Fakten belegt werden können.

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