First Reformed

Paul Schrader is back.

Als Drehbuchautor zeichnete sich Paul Schrader für Klassiker wie Raging Bull und Taxi Driver verantwortlich, als Regisseur hat er unter anderem American Gigolo vorzuweisen. Solche kritischen Erfolge hatte er in den letzten Jahren leider nicht zu verzeichnen. Aber mit First Reformed, bei dem er sowohl für Drehbuch als auch Regie verantwortlich ist, könnte sich das Blatt nun wenden.

Einigermaßen ruhig ist es eigentlich auch in der Gemeinde von Priester Toller (Ethan Hawke), ehe sich die schwangere Mary (Amanda Seyfried) an ihn wendet. Ihr umweltbewusster Mann Michael (Philip Ettinger) plädiere dafür, das Kind abzutreiben, da die Welt ohnehin dem klimatischen Untergang geweiht sei. Einige dramatische Ereignisse und Enthüllungen später findet sich Toller in einer ausgewachsenen Glaubenskrise wieder.

Scheißt er auf uns?

Priester sein und doch selbst daran zweifeln: Ethan Hawke als Priester Toller in First Reformed – © Viennale

Schrader nähert sich den schwierigen Fragen seines Filmes zunächst mit langen Dialogen. Das erste Gespräch zwischen Toller und Michael ist eine minutenlange Odyssee, die einen schon ein bisschen dran zweifeln lässt, ob hier noch ein Thriller kommen wird. Doch das passiert, keine Sorge. Nur eben nicht so, wie man es erwartet. Der Film verfolgt durchaus einen ungewöhnlichen Aufbau, denn dieser anfängliche Dialog bildet die Basis für alle weiteren Gedankenspielereien.

Wer also mit den seelischen Veränderungen des Priesters mitkommen will, sollte dann nicht abschweifen, sondern sich wirklich auf das Gesagte konzentrieren. Der Grundtenor ist wie folgt: Der Mensch zerstört die Erde und auch, wenn er das weiß, hört er nicht auf. Denn Menschen sind böse, sie wollen Macht und wollen Geld. Und alle, die das nicht wollen, sind entweder nicht stark genug, sich dagegen aufzulehnen oder lehnen sich dagegen auf, werden aber niedergeschlagen. Die zentrale Frage lautet also: Scheißt Gott auf uns Menschen? Ist die Umweltzerstörung gar das Schicksal der Menschheit? Oder werden wir eh noch alle dafür bestraft, was wir da tun?

Keine Antwort und das ist okay

Wenn selbst die längsten Gespräche keine Lösung bringen: Ethan Hawke als Toller und Amanda Seyfried als Mary in First Reformed – © Viennale

Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Priester bis zum Ende des Films ebenso wie mit allgemeineren Fragen zum Glauben, der Organisation Kirche und ihren Mitgliedern. Paul Schrader hat ein gutes Gefühl für Balance. Immer wieder stellt er die Megachurch der kleinen “Touristenkirche” entgegen. Beide haben ihre Fehler – die einen fremdeln ein bisserl was Gott angeht, denn man muss einen solchen Bau ja irgendwie am Laufen halten – so die Vorgabe des Vorgesetzten. Die Mini-Kirche wiederum steht für das mönchshafte Element der Religion, also ein stiller, frommer Beobachter, der mit dem Finger zeigt, aber auch nichts tut.

First Reformed ist ein spannungsgeladener Film, auch wenn man das anfangs vielleicht nicht glauben kann. Ja, er hat seine Längen und schwermütigen Momente. Auch vorhersehbare Szenen sind dabei. Doch alles in allem ist es eine ziemlich exakte Abbildung davon, wie der moralische Kampf in einer Person aussehen kann. Das, was wir vielleicht auch in uns fühlen, wenn wir über aktuelle Probleme der Welt nachdenken, ist in First Reformed verbildlicht durch das Handeln eines Priesters.
Deshalb passen auch die recht ungewöhnlichen, mystischen Szenen gut in den Film. Denn wenn man den Priester als eine Art wandelnde Metapher betrachtet, dann sind solche surrealistischen Anwandlungen voll okay. First Reformed bietet aber im Endeffekt auch keine Antwort auf die aktuellen Probleme an. Aber das passt schon so, denn das ist ja nur ein Film und handeln muss man schon selber.

Fazit (Anne & Michael):

Film: First Reformed
Rating:

Sehr Gut (4 / 5)

Mit langen Dialogen nähert sich Paul Schrader großen Themen und lässt seinen First Reformed  fast unmerklich vom Drama zum Thriller wandeln.

Michael Verfasst von:

Autor, Editor, Public Relations Michael ist der Arthouse Hipster des Teams, dessen Korrektheit und ruhige Art dafür sorgen, dass die Diskussionen immer fair bleiben und Beleidigungen nur zulässt, wenn sie mit Fakten belegt werden können.

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