Maleficent – Die dunkle Fee

Maleficient 1

Die Selbstbeweihräucherung eines der größten Filmstudios der Welt geht in die nächste Etappe. Nach Saving Mr. Banks und der damit verbundenen Hintergrundgeschichte zu Mary Poppins (1964), macht sich Disney nun daran, einen anderen Klassiker aus dem eigenen Haus wieder in Erinnerung zu rufen. Angelina Jolie verleiht als Maleficent der bösen Fee aus Dornröschen (1959) ein neues Gesicht, Hintergrundgeschichte und Charakterentwicklung inklusive. Es ist einer der wenigen Filme, dessen Qualität sich aus dem Trailer heraus noch nicht mal erahnen lässt.

Die junge Fee Maleficent (Isobelle Molloy), angehende Allein-Herrscherin des Waldes, verliebt sich unsterblich in den Waisenjungen Stefan (Michael Higgins). Ihre Gefühle füreinander sind so stark, dass sie sogar den tiefen emotionalen Graben zwischen Menschen und Fabelwesen scheinbar mühelos überbrücken. Kurz nach dem Stefan seiner Freundin zum 16. Geburtstag den “True Love’s Kiss” schenkt, lässt er die Arme aber sitzen und trägt damit wesentlich zu deren Verbitterung bei. Zum endgültigen Bruch kommt es dann Jahre später, als der nun erwachsene Stefan (Sharlto Copley) seiner Ex Maleficent (Angelina Jolie) einen grausamen Streich spielt, um selbst König seines Landes werden zu können.

Von Rachegelüsten verfolgt, belegt die Fee seine neugeborene Tochter Aurora mit dem Fluch, sie würde sich an ihrem 16. Geburtstag an einer Nadel stechen und daraufhin in einen todesähnlichen Schlaf fallen. Um vor allen Webstühlen dieser Welt gesichert zu sein, wird die Prinzessin von drei gutartigen Feen in einem verlassenen Häuschen im Wald aufgezogen. Vom Fluch nichtsahnend, sieht die Jugendliche Aurora (Elle Fanning) ausgerechnet in Maleficent eine Art Mutterfigur und sorgt damit für einen großen Konflikt bei der vermeintlich bösen Fee.

Maleficient 2

Oscargewinner als Storytelling-Noob
Es soll nicht zu persönlich werden, aber mir ist vor diesem Film etwas sehr seltenes passiert: Ich war gespannt.
Denn die Prämisse ließ mich ebenso wie der Trailer absolut im Unklaren darüber, mit welcher Ambition Neo-Regisseur Robert Stromberg (oscarprämierter Szenenbildner – Avatar, Alice im Wunderland) eigentlich an das Projekt gehen würde. Zwar lassen Disney-Filme über beliebte Disney-Charaktere mein Herz prinzipiell nicht gleich höher schlagen, doch schien die Idee, der unhinterfragt bösen Fee einen tieferen Sinn zu geben, durchaus eine mit Potenzial zu sein.

Naja, was soll ich sagen?
Ich war naiv.

Maleficent eröffnet eigentlich mit einem ganz netten Detail, indem das weltberühmte Schloss des Disney-Logos zugleich in die Landschaft eingebaut wird, von der man mit einer klassischen Kamerafahrt in den Feen-Wald geleitet wird. Man könnte meinen, Stromberg will uns in die glorreichen Märchenzeiten des Studios entführen – natürlich wieder eine Selbstbeweihräucherung, aber immerhin eine kreative. Die Ernüchterung folgt aber schon kurz darauf, spätestens als die junge Maleficent voller Ekstase, aber eben auch schmerzhaft altbekannt inszeniert, durch die Gegend fliegt, um am Ende ihres Rittes auf die drei anstrengend verwirrten Feen in Gelb (Juno Temple), Blau (Lesley Manville) und Rot (Imelda Staunton) trifft, die den ganzen Film über eine nervige Nebenerscheinung bleiben werden. Es ist der Anfang eines Storytelling-Albtraums.

Maleficient 3

Mama, warum heiß ich eigentlich bösartig?

Es ist nicht so, als ob man dem simplen Plot nicht folgen könnte, aber der Film bleibt immer wieder stehen, ohne in diesen Momenten der Ruhe irgendetwas Interessantes zu finden. Ein Großteil der Zeit wird mit klischeehaften Szenen verplempert, die durch die Erzählstimme aus dem Off (Janet McTeer) irgendwie zusammen geleimt werden. Und, ohne schlechtes Storytelling (Hauptverantwortung bei der Regie) mit Handlungslücken (Hauptverantwortung beim Drehbuch) zu verwechseln, hier mal eine kleine Hitliste mit Dingen, die der Film sich nicht zu erklären bemüht:

  • Warum die Titelfigur schon als entzückendes Kind den Namen Maleficent tragen muss
  • Ab wann und warum die Nervensägen-Feen plötzlich zu den Menschen halten
  • Was genau die Menschen eigentlich an den Feen stört (plumpe Öko-Message?)
  • Wie genau die Beziehung zwischen Maleficent und Stefan zu Brüche geht

Gerade der letzte Punkt ist schmerzhaft. Dadurch, dass die Charakterisierung von Stefan über den gesamten Film auf der Oberfläche bleibt, ist auch die Motivation der Hauptfigur nie vollständig nachzuvollziehen. Anders ausgedrückt verleiht man dem unhinterfragten Bösewicht aus dem alten Disney-Klassiker eigentlich nur ein detailliertes Gesicht, indem man einen anderen unhinterfragten Bösewicht erfindet, der ihr Schaden zufügt.

Maleficient 4

“Männer sind blöd” im feministischen Tarnanzug

Die Fehler, die ihm als Debütant in dieser Sparte als Regisseur passieren, müsste Robert Stromberg doch aber eigentlich in Sachen Design zumindest zum Teil wieder wettmachen können. Denkste, denn wie schon im zu Unrecht in dieser Kategorie oscargekrönten Alice im Wunderland (ein Sieg über Inception, True Grit, The King’s Speech und Harry Potter 7), ist die Welt auch hier absolut austauschbar.

Viel schlimmer als die faden Wälder und altbekannten Steininseln wiegen aber die inkonsequent gestalteten Fabelwesen. In der Dornröschenwelt gibt es vier wie Menschen aussehende Feen (Maleficent + das Nervensägentrio), dazu dann ganz viele, recht detaillierte Bäume und dann noch einige Trolle (?), die wie missgebildete Babyelefanten aussehen – Zusammenhang? Fehlanzeige!
Maleficient 5

Auch der Wald als solches spielt eigentlich überhaupt keine Rolle. Zwar baut sich Maleficent einen riesigen unbezwingbaren Dornenzaun, doch als die Menschen, recht logisch eigentlich, mit Feuer angreifen, sind es halt brennende unbezwingbare Dornen. Dass Holz ganz gut brennt, spielt also überhaupt keine Rolle. Ja, Kostüm und Makeup von Angelina Jolie sehen eh super aus, aber das schaffen Instagram-Mädels schon seit Jahren – so einfach bekommt man dann auch keine Pluspunkte.

Ein frustrierendes Erlebnis ist Maleficent leider auch für FeministInnen, wird doch jeder gute Ansatz schon bald wieder zunichte gemacht. Zwar wird der Wald von einer Frauenfigur dominiert, doch ist ihre Hauptmotivation wiederum ein Mann, der sie im Stich gelassen hat. Später im Film kann man sich dann über die Abkehrung vom beziehungsnormativen Märchenschwachsinn freuen, nur um dann kurz darauf der Wiederlegung der gerade aufgestellten These beiwohnen zu müssen.

Das ist irgendwie auch insgesamt sinnbildlich für Strombergs Regiedebüt, bei dem man eigentlich nie ganz die Hoffnung verlieren muss, weil vereinzelt immer wieder interessante Ansätze aufkeimen. Etwa fährt der zutiefst bösartige “Streich”, den Stefan Maleficent spielt – ohne jetzt mit Spoilern ins Detail gehen zu wollen – wirklich unter die Haut, auch weil die ansonsten unterforderte Angelina Jolie in dieser Szene ihre Verzweiflungs-Fähigkeiten zeigen darf. Zumindest halbwegs kreativ ist auch der Haupttwist der Geschichte, der sich aber so offensichtlich ankündigt, dass es dann auch schon wieder wurscht ist.

Fazit:

Film: Maleficient
Rating:
Lauwarm

User3.Leitner.Rating2.Lukewarm.Frei

Es gibt einige Punkte, an denen sich Maleficent hätte fangen können, so nach dem Motto “Ab einer Stunde wird er dann gut”. Stattdessen stolpert sich der Film in seinen 100 Minuten irgendwie durch die Story und hat am Ende so gut wie nichts: kaum Qualitäten und kein klares Zielpublikum, nur ein Haufen ungenütztes Potenzial. Es ist ja nicht so, als ob die Prämisse zu Disneys neuester Selbstverehrung vor Potenzial aus allen Nähten zu platzen gedroht hätte. Die Möglichkeit auf einen grundsoliden Märchen/Kinderfilm mit intelligenten Aussagen, etwa im feministischen Bereich, war aber da und wurde völlig verschwendet.

Michael Verfasst von:

Autor, Editor, Public Relations Michael ist der Arthouse Hipster des Teams, dessen Korrektheit und ruhige Art dafür sorgen, dass die Diskussionen immer fair bleiben und Beleidigungen nur zulässt, wenn sie mit Fakten belegt werden können.

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