Die Insel der besonderen Kinder

Die Worte “from visionary director Tim Burton” wecken schon lange keine Vorfreude mehr und warum das so ist zeigt Die Insel der besonderen Kinder eindrucksvoll auf.

Tim Burtons Karriere kann man – total vereinfacht ausgedrückt – in drei Abschnitte gliedern. Zunächst war da die Phase, in der er die Bezeichnung als Visionär durchaus verdient hat. Filme wie Edward mit den Scherenhänden oder A Nightmare Before Christmas – um nur zwei von vielen zu nennen – wiesen die ganz klare Handschrift eines Regisseurs auf, der nicht nur äußerst düstere Fantasien, sondern auch die technischen Mittel hatte, um diese zum Leben zu erwecken.

Schon etwas weniger verlockend waren dann jene Werke, die sich, um in der Einteilung zu bleiben, für die zweite Burton-Phase repräsentativ zeigten. Paradebeispiel jener Episode, in der er seine alten Tricks bis zum Verderben wiederholte, dabei aber den Funken vermissen ließ, der aus Fantasy fantastisch macht, ist The Big Fish – ein grundsolider, eh lieber Film, den man sehr schnell wieder vergisst. So enttäuschend diese Entwicklung auch gewesen sein mag, Fans hätten gut daran getan, diese Schaffensperiode zu genießen. Denn der echte Absturz stand da noch bevor und trat mit dem zum Kotzen uninspirierten, im Detail völlig lieblos hingeprackten Alice im Wunderland ein. Seither dürfte es auch den hartgesottensten Anhängern schwer fallen, einem neuen Tim Burton-Film eine echte Chance zu geben.

Cool ist es ja doch

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Twentieth Century Fox

Dabei wäre die Geschichte von Ransom Riggs’ Buch Die Insel der besonderen Kinder eigentlich genau jener Stoff, der für Hollywoods Vorzeige-Weirdo früher wie geschaffen gewesen. Der Jugendliche Jake (Asa Butterfield) realisiert erst beim Tode seines Großvaters, dass dessen mysteriöse Geschichten wohl doch einen Wahrheitsgehalt hatten. Also macht er sich auf die Suche nach Opas alten Kinderheim, das er – einem Zeitportal sei Dank – in den 1940er Jahren sogar betreten darf. Dort durchleben die Bewohner seit vielen Jahren den selben Tag, da jeweils am Abend Kindergärtnerin Miss Peregrine (Eva Green) wieder die Zeit zurück dreht, gerade rechtzeitig bevor die Nazibombe das Heim treffen würde. Bei den Kindern mit verschiedensten, außergewöhnlichen Fähigkeiten fühlt er sich äußerst wohl und so ganz nebenbei verguckt er sich in die fliegende Emma (Ella Purnell). Wäre ja alles recht unkompliziert, wenn Bösewicht Barron (Samuel L. Jackson) da nicht was dagegen hätte.

Wenngleich die populäre Romanvorlage des Films mit Sicherheit kein literarisches Meisterwerk darstellt, muss man schon überzeugter Zyniker sein, um zu glauben, dass diese Story dem 10 bis 12-jährigen Ich nicht gefallen hätte. Die Charakterisierung der Kinder geht zwar über deren Fähigkeiten kaum hinaus, das dürfte aber zumindest jüngere Zuseher auch kaum stören. Immerhin ist es ja doch recht cool, wenn ein Typ mit selbstgebastelten Herzen tote Wesen zum Leben erweckt oder ein Junge mit Hilfe eines kleinen Apparats seine eigenen Träume als Film projizieren kann.

Zu viel Zeit zum Nachdenken

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Twentieth Century Fox

Auch mit erwachsenem Blick ist Die Insel der besonderen Kinder lange Zeit mehr als ordentlich, obwohl die schiere Abwesenheit von Tim Burton schade ist. Einzig in ganz wenigen Momenten blitzt seine visionäre Ader auf, etwa wenn Jake und Emma dank ihrer Fähigkeiten auf wundersame Art ein am Meeresgrund liegendes Schiff erkunden. Die pure Aufregung, die der Film vermittelt, hilft aber insgesamt über die Schwächen hinweg, von denen gerade die Story ja eigentlich genug hätte. Oder ist es nicht – höflich ausgedrückt – eigenartig, dass sich Jake in ein Mädchen verliebt, das einst schon mit seinem Opa flirtete und das obendrein seit 70 Jahren ohne zu altern immer wieder den selben Tag erlebt? Müssten die Kinder nicht ein unfassbares Wissen aufweisen können, weil sie Jahrzehnte Zeit hatten, Bücher zu lesen? Und warum finden es die Kids noch aufregend, die Träume ihres Mitbewohners zu sehen, wenn sie seit 7 verdammten Jahrzehnten nichts anderes machen?

Aber eigentlich egal, denn aufgrund des vermittelten Abenteuergefühls bleibt eh wenig Zeit, um über all das nachzudenken. Leider ändert sich genau das in einem absolut fatalen dritten Akt, der jeglichen guten Willen, den man dem Film entgegengebracht hat, zunichte macht. In diesem actionreichen Schlussdrittel gehen der Handlung jegliche Regeln abhanden und für jedes blödsinnige Problem gibt es eine mindestens genauso blödsinnige Ausrede. Genau in dieser Phase wird dem frustrierten Zuseher eben doch Raum geboten, um über Details des Gesehenen zu reflektieren. Und das tut dem Film leider gar nicht gut.

Fazit (Michael)

Film: Die Insel der besonderen Kinder
(engl.: Miss Peregrin’s Home for Peculiar Children)
Rating:

User3.Leitner.Rating2.Lukewarm.Frei.Small

Lauwarm (2 von 5)

Die Insel der besonderen Kinder lässt zwar weitestgehend eine deutliche Handschrift Tim Burtons vermissen, ist aber zwei Drittel lang angenehm unterhaltend. Leider gibt es einen dritten Akt.

Michael Verfasst von:

Autor, Editor, Public Relations Michael ist der Arthouse Hipster des Teams, dessen Korrektheit und ruhige Art dafür sorgen, dass die Diskussionen immer fair bleiben und Beleidigungen nur zulässt, wenn sie mit Fakten belegt werden können.

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