Gruber geht

Ernste Themen – locker flockige Sprache. Das ist Doris Knechts Debütroman Gruber geht. Ein voller Erfolg, denn das Buch wurde für den deutschen Buchpreis nominiert. Jetzt übernimmt Marie Kreutzer, ihres Zeichens Regisseurin (Die Vaterlosen) und Drehbuchautorin und bringt den arroganten Gruber, gespielt vom österreichischen Lieblingsekel Manuel Rubey und sein weibliches Gegenüber Sarah (Bernadette Heerwagen) jetzt auf die Leinwand.

John Gruber hat Krebs

Er steht mitten im Leben, macht Geld ohne Ende, ist einfach eine geile Sau – zumindest so sieht Gruber sich selbst. Seine oberflächlichen Freunde sind wie er, sehen ihn also auch als ebenso geil. Porsche, Koks, Dylan, iPhone. Alles was er braucht um sich zu profilieren. Er liebt Dylan, den Rebellen, steht auf seine Statussymbole, wie ein modern kaltes Apartment und seinen Porsche. Für echte Beziehungen hat er sowieso keine Geduld. Familie ist lästig, aber nicht unausweichlich, deshalb kreuzt immer wieder seine Schwester Kathi (Doris Schretzmayer) bei ihm auf oder später er bei ihr. Generell dienen ihm Frauen nur zur Befriedigung, wenn ers mal nötig hat.

Auf einer Geschäftsreise trifft er die deutsche DJane Sarah (Bernadette Heerwagen), die noch zum alten Schlag gehört und mit echten Schallplatten hantiert, anstelle eines iPods. Eine schnelle Nummer später liest sie ihm den Befund des Krankenhauses vor, welcher ihm mitteilt, dass er Krebs hat und ihm Behandlung nahe legt. Widerwillig macht er das, der Kontakt zu Sarah bleibt aber erhalten. Das Leben passiert…

Eine österreichische Produktion

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Etwas, was mich richtig glücklich gemacht hat bei Gruber geht, ist die Tatsache, dass wir hier einen echten österreichischen Film haben. Mehr noch, einen echten österreichischen, feministischen Film. Wenn man Der Vampir auf der Couch gesehen hat und sonst so mitbekommt welche Qualität der durchschnittliche österreichische Film hat, dann kann man sich schon mal über sowas freuen. Das Schöne ist nämlich, dass Gruber geht wirklich gut ist. Es ist kein B-Movie wie Ich seh, ich seh, das – weil aus Österreich   zum Genremeisterwerk erhoben wird*.

Dass dabei das Buch einer Autorin von einer Regisseurin umgesetzt wird und eine Kamerafrau auch noch für schöne Bilder sorgt, macht jemanden wie mich happy, der meint, sowas sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

Gruber geht hat einen Humor, der etwas an die Brenner-Filme von Josef Hader erinnert. Vor allem die Passivität des Hauptdarstellers, der die Behandlung “halt macht, weils ihm die Ärztin gesagt hat”, schreit ein bisserl nach Déjà vu. Natürlich wirkt Manuel Rubey gepflegter als der Brenner. Er kann so richtig schön das arrogante Arschloch raushängen lassen und etwas später ist er dann wieder der Typ, der “eigentlich eh lieb” ist. Sein Charakter nimmt halt auch eine Verwandlung vor und am Ende ist er eindeutig sympathischer als am Anfang. Er hat zumindest etwas gelernt bei der Sache und der Grund dafür war nicht der Krebs, sondern Sarah.

Zwei Geschichten

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Die Überraschung des Filmes war der plötzliche Perspektivenwechsel, welcher ohne Ankündigung kommt. Während Gruber in Behandlung ist und es nichts zu erzählen gibt, folgen wir mal schnell Sarah, die ihr eigenes Leben mit ihren eigenen Problemen hat. Einen Freund, der eigentlich verheiratet ist und ihr verspricht sich scheiden zu lassen, sowie ein volles Arbeitsprogramm. Zwischendurch mal schnell ein Treffen mit der gynäkologischen Freundin, die sich wegen des fehlenden Kinderwunschs von Sarah Sorgen macht. Nebenbei wärs nicht schlecht, wenn sie herausfinden würde, was das zwischen ihr und Gruber eigentlich ist. Ein One Night Stand scheint es jedenfalls nicht gewesen zu sein.

So geht man ins Kino um sich die Geschichte eines Menschen anzusehen und bekommt für den gleichen Preis auf einmal zwei Geschichten. Beide tragisch, beide mit einem Schuss Humor erzählt. Es scheint als wäre die Transformation von Buch auf Film gut gelungen.

Von guten und weniger guten Adaptionen

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Bücher adaptieren ist eine Herausforderung, das sollte schon bekannt sein. Oft tappt man in die Falle, dass man ein Buch eins zu eins auf die Leinwand bringt und sich nicht darüber im Klaren ist, dass unterschiedliche Medien verschieden funktionieren. Das Buch A Clockwork Orange konnte seine Gewalt in seiner erfundenen Sprache nadsat verstecken, Stanley Kubrick konnte das nicht. Er musste eine künstlichere Welt erschaffen und inszenierte Kämpfe wie Ballettaufführungen. Probleme bekam er trotzdem. Wenn ihr ein paar Stunden Zeit habt, kann ich euch gerne ein Ohr abkauen, wieso Boris Vians Schaum der Tage funktioniert und Michel Gondrys Film nicht ganz so überzeugen kann (vielleicht in einem Podcast).

Ich habe von Gruber geht genau drei Seiten gelesen, kann also das Buch nicht beurteilen oder aufzählen was die Unterschiede zum Film sind. Was ich aber sagen kann ist das einzige was bei einer Adaption zählt: Der Film funktioniert für sich selbst.

Unter Umständen musste Marie Kreutzer ein paar Sachen ändern, vielleicht auch nicht, egal. Der Film ist anschaubar und die Entscheidungen sind klar nachzuvollziehen. Nie fragt man sich, wieso ist das jetzt so ist und muss ratlos schlussfolgern, dass es wohl im Buch auch so gewesen ist. Wir folgen Gruber und bevor es monoton wird, wechseln wir zu Sarahs Geschichte und wenn wir dann wieder zum Hauptcharakter zurückkommen ist er in einer völlig neuen Umgebung, was es dem Film ermöglicht, neue Aspekte herauszuarbeiten – Gute Entscheidungen einer guten Regisseurin, die einen guten Film gemacht hat.

Moviequation:

moviequation Gruber geht

Fazit (Patrick):

Film: Gruber Geht
Rating:

User2.Krammer.Rating4.Great.Frei
Sehr Gut (4 / 5)

Ist der Film perfekt? Bei Weitem nicht, es ist nicht leicht sich mit einem Unsympathler wie dem Gruber abzugeben. Die Geschichte mit Bob Dylan ist auch ein bisserl gezwungen, aber der Film macht das alles locker wett. Ich will Gruber geht auch gar nicht als wichtigen feministischen Meilenstein erscheinen lassen, aber es ist einfach schön zu sehen, dass talentierte Frauen in Österreich gute Filme machen können. Gruber geht scheint die Essenz des Buches eingefangen zu haben und sie respektabel auf die Leinwand zu projizieren.

Grund genug für einen Kinobesuch!

*Film nicht gesehen, vertraue aber der Kritik von Wolfi & Michi)

Patrick Verfasst von:

Autor, Editor und Podcaster er kann schon mal Blockbuster und Kunstfilme mögen, am Ende des Tages verliebt er sich aber meistens in die Indies. Wenn er einmal etwas in sein Herz geschlossen hat, verteidigt er es wie ein treuer Hund.

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